Insolvenzrisiko britischer Lebensversicherer bei Verlagerung nach Irland *

-Wie können Versicherte auf die damit steigende Insolvenzgefahr reagieren ?-

Bis zu mehr als eine Million Englischer Lebensversicherungen (With-Profit-Produkte) sollen nach Irland verlagert werden Indes ist es bei genauem Hinsehen völlig unnötig, für die bestehenden Verträge Großbritannien (GB) zu verlassen.

Bestehende Verträge müssen vom Brexit nicht berührt sein

Lediglich für das Neugeschäft entfällt mit dem Brexit die einfache Möglichkeit, aus GB über nur dortige Zulassung grenzüberschreitend in der gesamten EU neue Versicherungsverträge abzuschließen.
Bestehende Geschäftsverbindungen mit Versicherungsnehmern (VN) kann indes beinahe weltweit jeder Versicherer (VR) pflegen, selbst wenn er außerhalb des politischen Europa (EU) seinen Sitz hat. Schließlich wird auch niemand in Deutschland akzeptieren, wenn seine Versicherungsverträge mit deutschen Versicherern nach seiner Übersiedlung nach USA nicht mehr erfüllt würden, er weder Prämien zahlen noch Leistungen erhalten könnte.

Daß – wie nicht wenige kolportieren – bestehende Versicherungsverträge wegen des Brexit „theoretisch undurchführbar“ werden erscheint etwa so wahrscheinlich (also unmöglich), wie daß theoretisch GB auch in einem Tag und einer Nacht im Meer versinkt, womit nicht nur Versicherungsverträge undurchführbar werden, sondern man sich auch später fragen wird „Gab es die Insel Britannien wirklich – wo lag sie und warum ist sie versunken?“

Liebhaber von Verschwörungstheorien werden die Frage stellen: Gibt es dann vielleicht einen anderen Grund, sich von den Verträgen zu trennen, mit dem Brexit nur als Vorwand?

Rückabwicklung, Widerruf oder Widerspruch – oder Übertragung nach Irland abwarten ?

Britische Versicherer stehen vor dem Risiko, massenweise rückabwickeln zu müssen, wegen falscher Widerrufsbelehrungen. Das Geld dafür ist im Deckungskaptal (DK) indes nicht ausreichend vorhanden, da dies nur vertragliche Ansprüche abdeckt. In Irland hätte man das Risiko dann auf das dort transferierte begrenzte Deckungskapital des irischen Versicherers begrenzt – der verbleibende britische müsste dafür nicht mehr mit seinem Kapital einstehen. Wenn dann zu viele Widerrufe erfolgen, droht alsbald die Insolvenz – in Irland vermutlich eher, als wenn die Verträge in GB blieben?

Deckungskapital sichert (nur) vertragliche Ansprüche der VN

Richtig ist: Das Deckungskapital sichert nur die vertraglichen Ansprüche, wenn auch nicht deren volle vertragliche Erfüllung. Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung widerrufener Lebensversicherungen sind indes keine vertraglichen Ansprüche, und damit auch nicht durch das Deckungskapital zu sichern. Bei Insolvenz bekommen die Widerrufenden ggf. gar nichts, die übrigen teilen sich das vorhandene DK. Allerdings enden die Verträge, und damit alle Garantien auf den Ablauf und alle Ansprüche auf laufende Zahlungen etwa für Renten. Es gibt dann nach Abschluss des Insolvenzverfahrens etwas nahe dem niedrigen Rückkaufswert, das zwar halbwegs sicher, aber oft mit deutlichem Verlust. Jedenfalls entfällt bei Insolvenz der vertragliche Anspruch (etwa auch auf versicherte BU-Rente), und es wird (irgendwie, nicht unbedingt nach Vertrag) vom Insolvenzverwalter abgerechnet, was noch vorhanden ist. Also gibt es auch für Berufsunfähigkeits-(BU) und andere Renten nur eine Abfindung, und bei bevorstehender BU ggf. gar nichts mehr dafür.

Einlagensicherung durch Financial Services Compensation Scheme (FSCS)

Gerade wegen der Übertragung nach Irland könnte es erst recht zu Widerrufen kommen. Solange noch keine Übertragung auf eine irische Gesellschaft mit vielleicht wesentlich geringerer Bonität vorgenommen ist, greift bei Personenversicherungen die gesetzliche Einlagensicherung FSCS in GB, und bietet seit Jahren eine zuletzt von 90% auf 100% erhöhte Deckung für Lebensversicherungen und Pensionen.

Widerruf vor dem Brexit ?

Mancher VN hofft nicht unbegründet, daß der rasche Widerruf seiner britischen Lebensversicherung die Übertragung nach Irland verhindert – und seine Forderung auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung sich dann gegen den mutmaßlich solventeren britischen Versicherer richtet. Denn übertragen nach Irland werden wohl nur Versicherungsverträge – der rechtzeitige Widerruf vernichtet den Vertrag aber noch bevor er übertragen werden kann und wandelt ihn in ein bereicherungsrechtliches Rückabwicklungsverhältnis. Auch auf die Einlagensicherung des FSCS möchte kaum ein Kunde britischer Lebensversicherungen bzw. Anlagepools hinsichtlich seiner vertraglichen Ansprüche verzichten. Indes dürfte das FSCS wohl nicht-vertragliche Ansprüche aus bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung bei Widerruf gar nicht abdecken.

Wenn der Brexit nur vorgeschobener Anlass für den Umzug der Verträge nach Irland ist ?

Zwangsläufig ändert sich für VN durch den sogar harten Brexit erst mal gar nichts. Jedoch führt die Übertragung der Policen zu einem VR in Irland zum Wegfall des GB-Insolvenzschutzes, ohne wirklich klaren Kundenvorteil. Deutsches Recht gilt ohnehin weiter, schon weil es regelmäßig in den Verträgen explizit vereinbart ist.

Schuldnerwechsel durch Zustimmung von Gericht und/oder Finanzmarktaufsicht

Der Normalfall im Privatrecht ist, dass sich niemand einen neuen Schuldner bzw. Vertragspartner vor die Nase setzen lassen muss; §§ 414 ff. BGB. Dies hat seinen guten Grund, denn der neue Vertragspartner kann schlechter beaufsichtigt sein, oder beispielsweise finanzschwächer.

Eine Ausnahme zu dieser Regel ist die Übertragung von Versicherungsbeständen mit dem Segen der Finanzdienstleistungsaufsicht. Ob dabei indes neben der Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge auch geprüft wird, ob der neue Versicherer auch in der Lage ist, massenweise bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche nach Widerruf zu erfüllen, dürfte mehr als fraglich sein. Damit erscheint es umso sinnvoller, einen möglichen Widerruf noch vor der Übertragung auszusprechen.

Die Übertragung nach Irland erscheint als unnötiger Aktionismus für die Bestände, zu deren Nachteil schon wegen der wegfallenden Schutzes der staatlichen Sicherungseinrichtung FSCS. Womöglich aber gibt dafür eben einen Grund, der bisher von den Beteiligten verschwiegen wurde – z.B. um sich in GB von den erkannten Risiken und Kosten etwa der massenweisen Rückabwicklung oder anderer auch nach EU-Recht drohender bekannter und unbekannter teurer Rechts-Risiken zu trennen. Der Brexit wäre dann nur willkommener vorgeschobener Anlass, um Kunden und GB-Gericht zu überzeugen, dass der Weg über die irische See erforderlich ist, weil es in GB angeblich keine Zukunft mehr für sie gibt – ohne dass sie merken sollen, dass man die Verträge einfach als nutzlos und riskant nur loswerden will.

Widerruf erst nach dem Brexit nebst Vertragsübertragung nach Irland ?

Es steht in den Sternen, ob britische Muttergesellschaften ihre gute Bonität einem neuen irischen VR durch eine harte Patronatserklärung gleichsam ausleihen werden? Ebenfalls fraglich ist, ob britische Muttergesellschaften ihren irischen Töchtern künftigen Rückabwicklungsaufwand widerrufener Verträge ersetzen werden? Wenn Sinn der Übertragung nach Irland auch die Trennung von diesen teuren Rechtsrisiken ist, macht es natürlich kaum Sinn, dafür aus GB weiter einzustehen.

Windhundprinzip: Wer zuerst kommt, malt zuerst ?

Die Bonitätsregel des Solvency-II beinhaltet auch bei manchen Versicherern Rückstellungen für Rechtsrisiken – für Rückabwicklungen bemessen an der beobachteten Inanspruchnahme und einem ggf. zunehmenden Trend für die Zukunft. Hingegen derzeit bei weitem nicht bei allen, schon da sie sich so schwer quantifizieren lassen. Schon gar nicht aber, wenn es zu einer unerwartet starken Zunahme kommt, womöglich verursacht durch Brexit-bedingte Irritationen, Fragen und Beratungen mit der Folge von massenweisen Rückkäufen mit nachfolgendem Widerruf. Wie es manche Anwälte bei ihren Brexit-Informationen derzeit propagieren. Dann macht die Abwicklung der Verträge in einer begrenzt kapitalisierten irischen Gesellschaft großen Sinn – rein wirtschaftlich und allein zum Vorteil der britischen Gesellschaft, die sich damit möglicherweise nur enthaftet, statt teuer dafür bezahlen zu müssen ? Es scheint, dass manche Fragen an die betreffenden Versicherer noch gar nicht gestellt wurden und daher der Beantwortung harren ?

*von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, RB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

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