11. Dresden-Preis geht an die syrische Bildungsaktivistin Muzoon Almellehan

Portrait

Dresden/Heidelberg. Die syrische Bildungsaktivistin und UNICEF-Botschafterin Muzoon Almellehan erhält am 9. Februar 2020 in der Dresdner Semperoper den 11. Internationalen Friedenspreis „Dresden-Preis“. Der mit 10.000 € dotierte Preis wird gefördert von der Klaus Tschira Stiftung.

Die heute 21-jährige Muzoon Almellehan, die inzwischen in Großbritannien lebt, gilt als eine der stärksten und einflussreichsten Stimmen im Kampf um Bildung für Kinder in Krisengebieten. Mit ihrem Engagement begann sie bereits mit 14 Jahren in einem jordanischen Flüchtlingslager, wohin sie mit ihrer Familie aus Syrien geflohen war. Für viele der Geflüchteten hatte die Teilnahme an Bildungsangeboten angesichts der Hoffnungslosigkeit im Lager nicht den höchsten Stellenwert. Aber Muzoon ging von Zelt zu Zelt und überzeugte Eltern wie Kinder davon, wie wichtig der Schulbesuch auch in dieser Situation ist. Und sie sagte immer wieder diesen Satz: “Wenn du Bildung hast, kann dir das niemand mehr nehmen”. Vielen Kindern, vor allem Mädchen, rettete die junge Syrerin so ihre Zukunft.

Nach der Umsiedlung ihrer Familie nach Newcastle/Großbritannien setzte Muzoon ihren Einsatz für bessere Bildungschancen für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten fort. Im Jahr 2017, mit 19 Jahren, wurde sie die bis dahin jüngste Botschafterin der UNICEF, des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen. „Muzoons Geschichte von Tapferkeit und Stärke inspiriert uns alle“, sagte der stellvertretende UNICEF-Geschäftsführer Justin Forsyth bei ihrer Ernennung. Im gleichen Jahr kürte das Time Magazine sie zu einer der 30 einflussreichsten Teenager der Welt. Im Alter von 17 Jahren sprach Muzoon Almellehan das erste Mal vor den Vereinten Nationen in New York und traf seither zahlreiche Staats- und Regierungschefs, die sie auf die katastrophale Bildungssituation in Krisenregionen aufmerksam machte und um Hilfe bat. Jedes zehnte Kind in der Welt kann derzeit keine Schule besuchen. Darunter sind auch viele Millionen Flüchtlingskinder.

„Bildung ist vielleicht das höchste Gut, das jungen Geflüchteten zuteilwerden kann. Sie ebnet den Weg, um nach dem Trauma der Vertreibung Würde und Sinn wiederzugewinnen, sie kann die Befreiung aus lebenslanger Abhängigkeit bedeuten. Dies hat Muzoon bereits als Jugendliche erkannt. Ihr Mut und ihr Engagement sind außerordentlich, gegen viele Widerstände hat sie sich für Kinder und Jugendliche eingesetzt und kämpft weiterhin für deren Bildungschancen. Damit ist sie für mich ein Symbol dafür, dass jeder seinen Beitrag zum Frieden leisten kann, auch wenn er machtlos scheint“, sagt Beate Spiegel, Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung.

Die Laudatio auf Muzoon Almellehan wird die Trägerin des 10. Dresden-Preises, Kim Phuc Phan Thi, das als „Napalm-Girl“ weltweit bekannt gewordene Opfer des Vietnamkrieges, halten. Die beiden Preisträgerinnen verbindet viel: Beide mussten als Kinder den Krieg erleben, und beide haben aus dieser Erfahrung den Schluss gezogen, sich für andere von Kriegen betroffene Kinder einzusetzen.

Am 13. Februar 2020 jährt sich die Bombardierung Dresdens zum 75. Mal. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum ist Ehrenmitglied des preisvergebenden Vereins Friends of Dresden Deutschland e. V. und erlebte als 12-Jähriger die Bombardierung seiner Heimatstadt Dresden. Er stellt den Zusammenhang her zur aktuellen Preisvergabe: „Zum 75. Jahrestag der Zerstörung Dresdens stellen wir mit Syrien einen aktuellen Krieg in den Mittelpunkt der Preisverleihung. Denn auch nach Dresden 1945 wurde und wird weiter gestorben in unseligen Kriegen. Daran muss gerade in Dresden immer wieder erinnert werden. Und ganz bewusst zeichnen wir mit Muzoon Almellehan eine sehr junge Aktivistin aus, die versucht, die Folgen der Kriege zu begrenzen. Denn es ist die Jugend mit ihrem moralischen Kompass und ihrer Leidenschaft, auf die wir setzen müssen, um die Welt zu verändern und auch die unsägliche Spirale Krieg-folgt-auf-Krieg endlich zu durchbrechen.“

Sonderpreis
Einen Sonderpreis erhält 2020 das soziale Dresdner Musikprojekt „MUSAIK – Grenzenlos Musizieren e.V.“ Seit zwei Jahren musizieren hier etwa 80 Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren miteinander und bekommen damit eine Chance, auch eine Bildungschance. Etwa die Hälfte der jungen Musikerinnen und Musiker hat einen Migrationshintergrund, die meisten kommen aus Syrien. Das von Förderern sowie Dresdner und internationalen Musikern unterstützte Projekt wurde 2017 von den Musikpädagoginnen Deborah Oehler und Luise Börner im Dresdner Stadtteil Prohlis gegründet. „MUSAIK“ erhält nicht nur den mit 5.000 € dotierten Sonderpreis, sondern wird bei der Verleihung des 11. Dresden-Preises auch auftreten.

„Dresden-Preis“
Der „Dresden-Preis“ wird 2020 zum elften Mal vergeben. Bisherige Preisträger des internationalen Friedenspreises waren unter anderem Michail Gorbatschow, der ehemalige sowjetische Offizier Stanislaw Petrow, der Herzog von Kent, der Urvater der Whistleblower Daniel Ellsberg, der Sportler und Bürgerrechtskämpfer Tommie Smith sowie die Friedensaktivistin Kim Phuc Phan Thi, die als Napalm-Opfer auf dem weltberühmten Foto aus dem Vietnam-Krieg zu sehen ist.

Die Preisverleihung findet am Sonntag, 9. Februar 2020, um 16 Uhr in der Semperoper Dresden statt. 
Eintrittskarten zum Preis von 5 Euro sind erhältlich beim Besucherdienst der Semperoper, Schinkelwache, Theaterplatz 2, 01067 Dresden, Telefon: 0351/4911 705, bestellung@semperoper.de sowie über www.semperoper.de

Foto: ©UNICEF

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