Handel ist mehr als nur Verkaufen

IHKs in NRW legen Studie „Handel³“ vor

Mehr als 70 Prozent der Einzelhändler engagieren sich über ihre betriebliche Tätigkeit hinaus für ihren Einkaufsstandort. Diese soziale Verantwortung übernehmen sie nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil sie sich als Teil der Gemeinschaft vor Ort verstehen. Das ist ein Ergebnis der Pilotstudie „Handel³ – Die dritte Dimension des Einzelhandels“. IHK NRW, der Zusammenschluss der 16 Industrie- und Handelskammern (IHK) in Nordrhein-Westfalen, hatte diese Studie in Kooperation mit dem NRW-Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beim Gutachterbüro Junker + Kruse in Auftrag gegeben. Ziel war es, einen Überblick über die Effekte des Einzelhandels für das Gemeinwohl zu erhalten.

„Der Einzelhandel ist in seiner ersten Dimension wichtig für die Versorgung der Bevölkerung. In seiner zweiten Dimension ist er ein bedeutender Wirtschaftsfaktor als Arbeitgeber, Ausbilder und Steuerzahler“, erklärt Maria Klaas, Geschäftsführerin der IHK Lippe. Dass der Handel dazu noch eine wichtige soziale Funktion übernehme und erheblich zum Gemeinwohl einer Stadt beitrage, sei den wenigsten bewusst.

Durchschnittlich wenden Einzelhändler laut Studie ein bis zwei Arbeitstage im Monat für die ehrenamtliche Tätigkeit auf. Daneben ist der Handel auch ein wichtiger Geldgeber im Ort. Über Spenden, Sponsoring und Sachleistungen beteiligt er sich an zahlreichen örtlichen Festen und Ein-richtungen und unterstützt verschiedene Veranstaltungen. Jeder Einzelhändler investiert jährlich etwa 1.400 bis 1.900 Euro pro Jahr in diese Zwecke.

Neben dem finanziellen Aspekt spielen die Einzelhändler eine weitere wichtige soziale Rolle. Die Mehrheit der Händler nimmt sich neben den Verkaufs- und Beratungsgesprächen Zeit für einen „Plausch an der Ladentheke“ mit dem Kunden. Dieser „Smalltalk“ nimmt gut ein Fünftel der Tagesarbeit eines Händlers ein. Für viele Kunden ist das ein wichtiger Teil des Einkaufserlebnisses und fördert obendrein die sozialen Kontakte in der Kommune.

„Der Handel ist Taktgeber und Motor unserer Zentren – und das nicht nur aus wirtschaftlicher Perspektive. Er bereichert unser Leben sozial, kulturell und gesellschaftlich. Das zeigt die Studie sehr eindrucksvoll“, so die IHK-Geschäftsführerin.

Allerdings wird die soziale Bedeutung des Handels laut Studie von den Kunden kaum wahrgenommen. Nur weniger als einem Drittel der befragten Kunden war bewusst, dass sich der Einzelhändler nicht nur für sein Geschäft, sondern auch für seinen Ort einsetzt. „Deshalb muss es uns nicht wundern, dass die Wertigkeit des Handels in den politischen Diskussionen oft unterschätzt wird“, sagt Klaas. Die Studie zeigt, dass sich Städte und Gemeinden noch stärker für die Entwicklung des stationären Handels einsetzten sollten. „Der örtliche Handel ist wichtig für die Lebensqualität vor Ort, und mit jedem Leerstand geht ein Stück davon verloren“, stellt die IHK-Vertreterin fest.

Für den Handel bedeutet dies, dass er künftig mehr Bewusstsein schaffen muss für seine Bedeutung in der Kommune. Und er muss aktiver als bisher Allianzen schmieden für seine Belange. Hier kommt auch den Immobilienbesitzern eine große Bedeutung zu. Den Vermietern von Ladenlokalen muss deutlich gemacht werden, was es für den Wert ihrer Immobilie bedeutet, wenn sich der Handel aus den Innenstädten zurückzieht.

Auch die Politik ist gefordert. „Wer immer noch Flächen auf der grünen Wiese ausweist, muss sich nicht wundern, wenn der Handel im Stadtzentrum leidet“, so Klaas. Politik müsse langfristiger denken. Schlussendlich seien auch die Kommunen gefordert, die Umsetzung von Projekten zu fördern. Hier sind etwa verkaufsoffene Sonntage gemeint, die für den Handel von einer immer größeren Bedeutung werden.

NRW-weit wurden in 16 unterschiedlich großen Modellstädten Einzelhändler schriftlich befragt. Außerdem gab es persönliche Interviews mit Händlern, Spenden- und Sponsoring-Empfängern vor Ort und mehr als 1.000 Verbraucherbefragungen. In Lippe war die Stadt Oerlinghausen einbezogen.

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